Reisegewerbe und Marktverkäufe
Definition, Erklärung
Das Reisegewerbe ist eine gewerbliche Tätigkeit, die keine Geschäftsräume erfordert und außerhalb einer geschäftlichen Niederlassung erfolgt. Früher bezeichnete man das Reisegewerbe als Wandergewerbe oder ambulantes Gewerbe. Typische reisegewerbliche Tätigkeiten sind beispielsweise der Verkauf von Waren an der Haustür und das gewerbliche, auf Zugewinn ausgerichtete Betreiben eines Verkaufsstandes auf einem Trödelmarkt.
Der Verkauf von Waren auf Märkten stellt heutzutage für viele Menschen eine wichtige Form des Erwerbs oder Nebenerwerbs dar. Nach § 55 GewO betreibt ein Reisegewerbe, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung oder ohne eine solche zu haben:
- selbständig oder unselbständig in eigener Person Waren feilbietet oder Bestellungen vertreibt oder ankauft, Leistungen wie handwerkliche Tätigkeiten anbietet oder Bestellungen bzw. Aufträge auf Leistungen annimmt oder
- selbständig unterhaltende Tätigkeiten als Schausteller oder nach Schaustellerart ausübt.
Wer ein Reisegewerbe betreibt, benötigt eine Erlaubnisurkunde in Form einer Reisegewerbekarte. Diese wird vom örtlichen Gewerbeamt erteilt. Falls Vorstrafen, mangelnde Zuverlässigkeit oder Polizeiaufsicht vorliegen, kann die Erteilung einer Reisegewerbekarte verweigert werden.
Für die tatsächliche Ausübung eines Reisegewerbes muss dann vor Ort immer auch zusätzlich eine Standerlaubnis eingeholt werden. Dies geschieht beispielsweise bei Behörden, Veranstaltern von Märkten sowie Firmen und ist in der Regel kostenpflichtig.
Tipps, Checkliste
- Als Reisegewerbe dürfen viele Tätigkeiten durchgeführt werden, die im „stehenden Gewerbe“, d.h. mit Geschäftsräumen, nur mittels Genehmigung oder Fachkundenachweis erlaubt sind, wie der Meisterbrief und die Eintragung in die Handwerksrolle im Handwerk. Das Betreiben von Kunsthandwerkerständen auf den entsprechenden Märkten dagegen benötigt diese Genehmigungen nicht
- Die Reisegewerbekarte kann vom Gewerbeamt für ein oder mehrere Jahre oder unbefristet erteilt werden. Die Gebühren sind dementsprechend unterschiedlich und sind beim zuständigen Amt zu erfragen. Die Antragstellung ist allerdings erheblich aufwändiger als beim Gewerbeschein. Man benötigt hier: Lichtbild und Personalausweis, Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes, polizeiliches Führungszeugnis von der Meldebehörde, Auszug aus dem Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht, Auskunft aus dem Gewerbezentralregister und bei Ausländern eine Aufenthaltsgenehmigung
- Die Reisegewerbekarte muss vom Inhaber ständig mitgeführt werden und wird gelegentlich vom Gewerbeaufsichtsamt kontrolliert
- Reisegewerbetreibende werden nach der Anmeldung beim Gewerbeamt auch Mitglieder in der IHK. Sie müssen für ihre Steuererklärung über ihre Einnahmen und Ausgaben mittels einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung Buch führen. Auch für weitere Mitarbeiter, z.B. an Verkaufsständen, muss eine Reisegewerbekarte beantragt werden
- Es gibt daneben eine Reihe von reisegewerbekartenfreien „ambulanten“ Tätigkeiten. Beispielsweise benötigen solche Verkäufer keine Reisegewerbekarte, die nur gelegentlich auf Messen, Ausstellungen, öffentlichen Festen oder aus besonderem Anlass mit Erlaubnis der Behörden(!) Waren feilbieten. Grundlage dafür sind die §§ 55 a und b GewO. Auch dürfen selbst gewonnene land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse wie Gemüse und Obst, innerhalb des eigenen Wohnortes oder der gewerblichen Niederlassung „frei“ verkauft werden. Dies gilt jedoch nur, wenn die Gemeinde nicht mehr als 10.000 Einwohner hat. Ferner dürfen z.B. mobile Kioske ohne Reisegewerbekarte arbeiten. Näheres siehe unter § 55a Abs. 1 Satz 9 GewO. Auch dürfen beispielsweise Büchertische ohne Gewerbeanmeldung an Straßen und Plätzen betrieben werden, siehe § 55a Abs. 1 Satz 10 GewO. Außerdem können Behörden nach § 55a Abs. 2 GewO besondere Verkaufsveranstaltungen von der Reisegewerbekarten-Pflicht ausnehmen
- Nach Ansicht mancher Autoren, z.B. Martin Massow – Freiberufler-Atlas, S. 186, kann aus § 70 Abs. 1 GewO abgeleitet werden, dass ein Gewerbetreibender auf festgesetzten Veranstaltungen wie Volksfesten, Großmärkten, Wochenmärkten, Spezialmärkten, Ausstellungen und Messen ohne Reisegewerbekarte teilnehmen kann. Er müsse sich in diesem Fall nur den Regeln der Veranstalter unterwerfen und könne dann Leistungen und Waren anbieten. Nach Ansicht von Massow müssten beispielsweise Teilnehmer von Esoterikmessen oder Rittermärkten nur die Regeln der Veranstalter beachten und benötigten in diesen Fällen keine Gewerbe- oder Reisegewerbeanmeldung. Diese Ansicht wird jedoch sehr widersprüchlich diskutiert
- Wichtig: Die gesetzlichen Bestimmungen und Anforderungen hinsichtlich der Anmeldung eines Gewerbes oder Reisegewerbes speziell für Verkäufer auf Spezialmärkten werden offenbar regional unterschiedlich ausgelegt. Es ist daher ratsam, sich vor Teilnahme z.B. an Märkten, beim zuständigen Gewerbeamt bzw. bei der Kreisverwaltung zu erkundigen. Das Fehlen einer Genehmigung kann unter Umständen als Ordnungswidrigkeit geahndet werden
- Zweifelsfrei bedarf jedoch das Betreiben von privaten Verkaufsständen auf Floh- und Trödelmärkten zum Verkauf von persönlicher Habe keiner Erlaubnis
- Auch Reisegewerbetreibende sind gewerbesteuerpflichtig. Dies ist geregelt in § 35a GewStG
Arbeitsrecht, Urteile
- Urteil V R 3/04 vom 12.01.2006
Umsatzsteuer im Reisegewerbe - § 145 Verletzung von Vorschriften über das Reisegewerbe
Informationsquellen
Literatur
- Rechtsregeln des Reisegewerbes von Philipp Funke
- Reisegewerbe
Herausgeber: Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern