Betriebliche Übung
Definition, Erklärung
In Arbeitsverträgen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen werden neben den gesetzlichen Bestimmungen die Rechte und Pflichten der beiden Vertragspartner Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgelegt. Erbringt der Arbeitgeber jedoch mehrmals freiwillig weitergehende Leistungen, kann sich daraus arbeitsrechtlich ein vertraglicher Anspruch auf zukünftige Leistungen ableiten. Faktisch wird die Leistung dann zum Inhalt des Arbeitsvertrags, obwohl sie dort nicht aufgeführt ist. Trotz Klauseln, die eine Schriftform bei Vertragsänderungen (doppelte Schriftformklausel) erfordern, entsteht ein Recht auf die gewährte Leistung. In diesem Fall spricht man von betrieblicher Übung oder Betriebsübung.
Betriebliche Übung entsteht, wenn
- Verhaltensweisen seitens des Arbeitgebers mehrmals wiederholt werden, so dass der Arbeitnehmer daraus schließen kann, dass sich der Arbeitgeber auch in Zukunft so verhalten wird
- die Leistung freiwillig erbracht wird und nicht Gegenstand eines Gesetzes oder Regelung in Verträgen und Vereinbarungen ist
- eine jährliche Leistung dreimal hintereinander in ähnlicher Form und ohne Vorbehalt erbracht wird. Daraus lässt sich ein Gewohnheitsrecht ableiten. Davon profitieren auch neu eingestellte Mitarbeiter, die unabhängig von Ihrer Betriebszugehörigkeit einen Rechtsanspruch auf eine freiwillige, mehrmals erbrachte Leistung in der Vergangenheit haben. Ein Vorbehalt liegt vor, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich erklärt, die Leistung unter Ablehnung eines zukünftigen Rechtsanspruchs zu erbringen und auf das laufende Kalenderjahr beschränkt
Auf Basis dieser Voraussetzungen, kann betriebliche Übung entstehen bei
- Weihnachts- und Urlaubsgeld
- bezahlte Freistellungen am Faschings-Dienstag oder Heilig-Abend
- Urlaubsregelungen
- Gleitzeittage zum Abbau von Überstunden
- Pausenregelungen
- Krankmeldungen
- Prämien, Incentives, Jubiläumsgratifikationen
- Essengeld- oder Fahrtkostenzuschüsse
- Fortbildungskosten
- Bereitstellung eines Parkplatzes
- Leistungen der betrieblichen Altersversorgung
- Anwendung bestimmter Tarifverträge zugunsten der Arbeitnehmer
- und sonstige Bestandteile eines Arbeitsvertrags
Der Betriebsrat hat keinen Einfluss auf die Betriebsübung. Aber er kann darauf achten, dass die Gleichbehandlungsgrundsätze eingehalten werden und die Ansprüche aus der betrieblichen Übung nicht widerrechtlich zurückgenommen werden.
Tipps, Checkliste
Arbeitgeber:
- Achten Sie darauf,
- Vergünstigungen nicht regelmäßig und in der gleichen Höhe bzw. Form zu erbringen, also stattdessen besser unterschiedliche Höhe des Weihnachtsgeldes
- verknüpfen Sie die Leistung mit einer ausdrücklichen Erklärung, dass diese Leistung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ erfolgt und „keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet“, also einen Freiwilligkeitsvorbehalt
- Um die betriebliche Übung zu beseitigen
- können Sie auf eine einvernehmliche Aufhebung der Betriebsübung drängen oder
- eine Änderungskündigung aussprechen
Arbeitsrecht, Urteile
- Urteil Az.: 3 AZR 123/08 vom 16.02.2010
Bundesarbeitsgericht zu Weihnachtsgratifikationen für Betriebsrentner - 10 AZR 393/08 vom 01.04.2009
Betriebliche Übung – Sondervergütung - 10 AZR 281/08 vom 18.03.2009
Arbeitsrecht: Weihnachtsgeld: Keine gegenläufige betriebliche Übung durch mehrfachen Freiwilligkeitsvorbehalt - 10 AZR 274/07 vom 28.05.2008
Jubiläumszuwendung – Betriebliche Übung - 10 AZR 410/06 vom 20.06.2007
Anspruch auf Weihnachtsgeld - 5 AZR 849/06 vom 13.06.2007
Schichtplangestaltung an Feiertagen – Betriebliche Übung
Informationsquellen
Literatur
- Betriebliche Übung und AGB-Kontrolle von Claudia Hoffmann
- Betriebliche Übung und AGB-Kontrolle von Andreas Hennig
- Die positive und negative betriebliche Übung bei Gratifikationen und anderen Bonuszahlungen von Stephanie Hunn
- Wann entsteht eine betriebliche Übung? von Christian Seitz