Sozialplan bei Massenentlassungen durch Insolvenz

Definition, Erklärung

„Massenentlassungen“ im Zuge von Betriebsänderungen erfordern ein rechtliches Verfahren, das einen Sozialplan und einen Interessenausgleich umfasst. Damit sollen nachfolgende wirtschaftliche Nachteile ausgeglichen oder gemildert werden. Als „Massenentlassungen“ zählen in Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern bereits mehr als 30 Beschäftigte, die innerhalb von 30 Kalendertagen durch Kündigungen oder Aufhebungsverträge entlassen werden sollen. In kleineren Firmen gelten niedrigere Grenzen. Die gesetzliche Grundlage für den Sozialplan sind die § 112 und § 112a des Betriebsverfassungsgesetzes. Der Sozialplan hat die rechtliche Wirkung einer frei verhandelbaren Betriebsvereinbarung und kann darüberhinaus Einkommen, Arbeitszeiten oder Kündigungsschutzbestimmungen regeln, die normalerweise Bestandteil des Tarifvertrages sind

Betriebsänderungen liegen vor bei:

  • Einschränkung, Stillegung oder Verlegung des Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile
  • Fusion mit anderen Betrieben oder Spaltung von Betrieben
  • Restrukturierungsmaßnahmen, die die Betriebsorganisation, den Betriebszweck, Betriebsanlagen betreffen oder die Einführung grundlegend neuer Arbeitmethoden und Fertigungsverfahren erfordern.

Inhalte des Sozialplans können sein:

Die Höhe der Abfindung errechnet sich durch eine Formel, die die Faktoren Betriebszugehörigkeit, Alter, Gehalt und Position im Unternehmen berücksichtigen kann. Beispiele zur Berechnung von Sozialplanabfindungen sind (Quelle: Arbeitnehmerkammer Bremen):

  • Alter x Betriebszugehörigkeit x Monatseinkommen (brutto) ./. Divisor;
    Divisor: z.B.: 50 = 50-Jähriger erhält 1 Monatsgehalt/Jahr der Betriebszugehörigkeit;
    40-Jähriger erhält 0,8 Monatsgehälter/Jahr der Betriebszugehörigkeit
  • Alter x Betriebszugehörigkeit x Festbetrag
  • Punktesystem: Die von Entlassung betroffenen Mitarbeiter sind namentlich bereits bekannt. Für die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, eventuell bestehende Unterhaltsverpflichtungen und möglicher Behinderung werden Punkte vergeben. Diese werden über alle Betroffenen addiert und zu dem Sozialplanvolumen in Verhältnis gesetzt. Daraus errechnet sich der Wert der individuellen Abfindung. Das Sozialplanvolumen ist abhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens und dem Grund für den Sozialplan. Bei Ertragsoptimierung wird das Volumen durch das Gericht höher angesetzt als bei Sanierungsbemühungen
  • Bei Insolvenz kann ein Gesamtbetrag von bis zu 2 1/2 Monatsverdiensten als Ausgleich vorgesehen werden. Allerdings dürfen für das Sozialplanvolumen nicht mehr als 1/3 der Kapitalmasse verwendet werden

Im Gegensatz zum Sozialplan sind im Interessenausgleich vor allem Regelungen über die Art und Weise, wie der Personalabbau erfolgen soll, zu finden. Die Einigungsstelle, eine Art „betriebliches Schiedsgericht“, die in §76 BetrVG geregelt ist, kann in diesem Fall nicht hinzugezogen werden.

Unternehmen, die noch keine 4 Jahre alt sind, sind von der Sozialplanpflicht ausgenommen.

Handelt es sich bei einer geplanten Betriebsänderung ausschließlich um die Entlassung von Arbeitnehmern über Aufhebungsverträge, ist ein Sozialplan durch die Einigungsstelle erzwingbar, wenn eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern von der Kündigung betroffen ist. Dies regelt § 112a BetrVG und ist abhängig von der Gesamtzahl der Beschäftigten.

Tipps, Checkliste

  • Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat schriftlich über folgende Punkte informieren:
    • Gründe für die Entlassungen
    • Zahl und Berufsgruppen der betroffenen Mitarbeiter
    • Zahl und Berufsgruppen der Gesamtbeschäftigten
    • Zeitraum der Entlassungen
    • Kriterien für der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer
    • Kriterien zur Berechnung etwaiger Abfindungen
  • Parallel sind die „Massenentlassungen“ nach § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz durch den Arbeitgeber dem Arbeitsamt vorher anzuzeigen. Das Schreiben an den Betriebsrat und dessen Stellungnahme ist der Mitteilung ans Arbeitsamt beizufügen
  • Ein Betriebsrat in einem Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern kann bei einer Betriebsänderung einen Sozialplan verlangen und über eine Einigungsstelle gegen den Willen des Arbeitgebers durchsetzen
  • Für den Betriebsrat:
    • Verhandeln Sie Sozialplan und Interessenausgleich immer gemeinsam mit dem Arbeitgeber
    • Besorgen Sie sich Muster von Sozialplänen. Bedenken Sie dabei aber, dass diese Verhandlungsergebnisse darstellen und nicht die ursprünglichen Ausgangssituationen
    • Informieren Sie sich über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens und berücksichtigen Sie diese bei Ihren Forderungen
  • Sozialplan und Interessenausgleich sind schriftlich niederzulegen und erfordern eine Unterschrift der Unternehmensleitung und des Betriebsrats
  • Erfolgt keine Einigung zwischen dem Unternehmen und dem Betriebsrat können beide Seiten die Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen. Bleibt diese Vermittlung ergebnislos, ist die Einigungsstelle einzuschalten
  • Erzielt die Einigungsstelle keine Einigung, entscheidet sie über die Aufstellung eines Sozialplans, wobei sie die Folgen für die Arbeitnehmer, die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt als auch die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens berücksichtigen soll
  • Als vom Sozialplan begünstigter Arbeitnehmer sollten Sie unbedingt auf die Einhaltung von Ausschlussklauseln achten. Ansonsten können Ihre Ansprüche sonst verfallen
  • Achtung: Solange Interessenausgleich und Sozialplan nicht von beiden Seiten unterschrieben sind, dürfen keinerlei Maßnahmen bezüglich Personalabbau umgesetzt werden. Diese Umsetzungsblockade kann etwa 6 Monate dauern
  • Um Entlassungen über einen Sozialplan rechtlich einwandfrei umzusetzen, sollte vom Arbeitgeber ein Fachanwalt hinzugezogen werden

Arbeitsrecht, Urteile

Informationsquellen

Literatur

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